Sebastian Schnepper, KIT
Dirigent leitet ein klassisches Orchester mit verschiedenen Streich- und Blasinstrumenten bei einem Auftritt.

Musik statt Mensa – oder wie es ist, im Sinfonieorchester zu spielen

Das Sinfonieorchester des KIT heißt erprobte Musikerinnen und Musiker, egal ob Studierende oder Hochbetagte, willkommen, spielt vor ausverkauften (Hör)Sälen und hat kürzlich erneut beim Finale des Deutschen Orchesterwettbewerbs geglänzt. Zeit, mit den Studierenden auf und hinter der Bühne zu sprechen – in der Mensa.

Dort, wo tagsüber Tausende Studierende essen und das Geschirr klirrt, verstummt gerade der letzte Klang von Gustav Mahlers 5. Sinfonie. Stille. Im ersten Stock der Mensa am Adenauerring senkt Tobias Drewelius seinen Taktstock. „Das war gut!“, sagt der Dirigent zur Probe für das Winterkonzert. Vor ihm sitzt das Sinfonieorchester des KIT: rund 120 Musikerinnen und Musiker, die jeden Donnerstag im Gaede-Hörsaal oder in der Mensa proben und zum Semesterende im Februar und Juli ein großes umjubeltes Konzert geben.

Rund die Hälfte des Orchesters besteht aus Studierenden. Für Tobias, der das Amateurorchester seit 2019 professionell leitet, ist es eine Freude, mit ihnen zu arbeiten: „Die Studierenden, die bei uns mitspielen, können dafür drei ECTS-Punkte erhalten, aber das steht nicht im Vordergrund. Alle hier bringen eine Liebe zur Sache mit, ein Engagement, eine Neugier, gepaart mit großem Können. Solch ein Hunger nach Musik – das ist toll!“ 

Noch vor der Immatrikulation im Orchester

Minyue Wei ist 20 Jahre alt, studiert im Bachelor Maschinenbau auf Englisch und spielt erste Geige. Schon bevor die Heidelbergerin überhaupt am KIT immatrikuliert war, saß sie im Orchester. „Im September war das Probespiel. Danach haben sie mich gefragt, ob ich direkt für die anstehende Science Week mitspielen könnte“, sagt Minyue.

Seitdem ist sie fast immer dabei: Bei den Proben und Konzerten natürlich, aber auch nach den Proben beim gemeinsamen Ausklang in der Pizzeria oder bei sonstigen Feiern. Denn oft treffen sich diejenigen, die dasselbe Instrument spielen, auch zu Grillabenden, Geburtstagspartys und Weihnachtsmarktbesuchen. Bei den ersten Geigen kommen rund 20 Leute zusammen. „Es ist so schön zu sehen, wie wir miteinander viben!“, findet Minyue.

Mittlerweile kennt die Maschinenbaustudentin auch viele Mitspielerinnen und Mitspieler aus den anderen Instrumentengruppen. Das sei in großen Orchestern gar nicht so häufig. „Aber bei uns reicht eine Feier und schon schließt man neue Freundschaften!“

„Krass, wie alle zusammenhalten“

Auch bei Etienne dreht sich ein großer Teil seines Lebens um das Sinfonieorchester. Der 22-Jährige studiert Mathematik. Sein Instrument? Das Horn, weil er als Kind den Wolf aus Sergej Prokofjews Klassiker „Peter und der Wolf“ so toll fand ‒ und der von der Horngruppe dargestellt wird.

Seit eineinhalb Jahren spielt Etienne im „Sinfo“, wie das Orchester von seinen Mitgliedern liebevoll genannt wird. Die Musik bietet ihm eine willkommene Abwechslung zu seinem Studium und im Orchester hat er mit der „Horntruppe“ acht neue, enge Freundinnen und Freunde gefunden – inklusive Ritualen. Für das „Hornfrühstück“, zweimal im Jahr, ist Etienne der ausgewiesene Crêpe-Bäcker und Karamell-Macher, beim Baden-Marathon laufen die Hornistinnen und Hornisten gemeinsam eine Staffel als Team und alle nehmen sich mal Zeit, um für ein Horn-Wochenende in die Schweiz zu fahren. „Die sind ganz cool unterwegs“, schwärmt der Mathematiker. „Manche haben Kinder, andere arbeiten, ich studiere. Ich bin echt erstaunt, wie krass wir zusammenhalten.“

Zum Ende der Probe in der Mensa packen auch alle mit an. Tische und Stühle werden zurechtgerückt, sogar die Salzstreuer in die Tischmitte geschoben. Nach ein paar Minuten schwärmen die Musikerinnen und Musiker aus. Wer möchte, geht nun mit zum Italiener. Etienne ist dieses Mal nicht dabei, aber sicherlich bald wieder. Denn das Orchester gehört zu seinem studentischen Leben wie die Prüfungen – mit einem Unterschied: „Ich werde im Sinfo so lange weitermachen, wie es geht!“

Isabelle Hartmann, 09.10.2025

Minyue trägt ein rotes Sweatshirt vor neutralem Hintergrund. Privat
Maschinenbaustudentin Minyue war schon im Sinfonieorchester, bevor sie immatrikuliert war.
Etienne steht vor beeindruckender nächtlicher Stadtsilhouette in hoher Aussicht. Privat
Etienne studiert Mathematik und findet im Sinfonieorchester eine willkommene Abwechslung zum Studium – und einen einzigartigen Zusammenhalt.