Herr Haungs, können wir die Gravitation als Energiequelle wirtschaftlich nutzen?
Zuerst müssen wir klären, was die Gravitation überhaupt ist. Als Gravitation beziehungsweise Schwerkraft bezeichnet man das Phänomen, dass sich Körper aufgrund ihrer Masse gegenseitig anziehen. Gravitation tritt zwischen allen Körpern auf, die eine Masse haben. Spürbar wird sie aber erst bei sehr schweren Objekten wie unserer Erde. Hier ist sie dafür verantwortlich, dass alle Objekte in Richtung Erdmittelpunkt gezogen werden.
Die naheliegende Frage, ob man die Gravitation als eine der vier Grundkräfte der Physik als Energiequelle nutzen kann, ist nicht neu. In der Tat nutzt der Mensch sie schon seit Jahrtausenden – und zwar in der Form von Wasserkraft. Dass das Wasser den Berg herunterfließt, geschieht nur aufgrund der allgegenwärtigen Gravitations-, also Anziehungs- oder Schwerkraft. Und so konnte es schon in der Frühzeit Mühlsteine antreiben und Korn mahlen. Auch heute noch ist die Nutzung des Wassers die wichtigste Energiequelle auf Basis der Gravitation. Wasserkraftwerke ermöglichen es uns, diese zu nutzen, indem sie die potenzielle Energie des Wassers in mechanische beziehungsweise elektrische Energie umwandeln.
Andere Ideen zur Nutzung der Gravitation als Energiequelle verfolgen Forschende seit langem, sind aber trotz theoretischer Machbarkeit entweder technologisch und wirtschaftlich noch nicht umsetzbar oder nicht effizient genug. Eine dieser Ideen ist zum Beispiel, dass man Teile der Erdkruste mit Überschussenergie hydraulisch anhebt. Bei Bedarf kann man die so gespeicherte Energie gravitativ wieder freisetzen.
Ihr habt auch eine „Gute Frage“ zu einem Forschungsthema? Dann schickt sie gerne an clicKIT-Magazin@sek.kit.edu und wir versuchen, die richtige Person am KIT zu finden, um sie zu beantworten.
Zur Person:
Andreas Haungs ist seit 1993 am Institut für Astroteilchenphysik des KIT tätig. Insbesondere das Verständnis der physikalischen Prozesse im Hochenergie-Universum liegen im Fokus seiner Forschungen. Nachdem er viele Jahre für das KASCADE-Experiment am Campus Nord zur Detektion von kosmischer Strahlung verantwortlich war, leitet er nun eine Forschungsgruppe, die sich an dem Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien und dem am Südpol befindlichen IceCube Neutrino Experiment beteiligt. Zu seinen Arbeitsgebieten zählen neuerdings auch die Gravitationswellendetektion mit dem zukünftigen Einstein-Teleskop sowie die aktive Gestaltung einer europäischen Strategie für Astroteilchenphysik als gewählter Leiter des AstroParticle Physics European Consortiums APPEC.
Text: Andreas Haungs, Sandra Wiebe
Titelgrafik: Christian Grupe
Foto Andreas Haungs: Riccardo Prevete, KIT
Donnerstag, 8. September, 2022
FORSCHUNG