Wie wichtig das Ehrenamt für ein buntes Vereinsleben und den Breitensport ist, ist kein Geheimnis. Dass es auch für professionelle Spitzensportlerinnen und -sportler eine wichtige Stütze sein kann, dürfte hingegen weniger bekannt sein. Swantje Scharenberg ist so eine Stütze. Sie koordiniert die am KIT seit 2003 existierende Anlaufstelle „Partnerhochschule des Spitzensports“ ehrenamtlich. Hauptamtlich ist sie für Forschung, Lehre und Wissenstransfer in ihrem Fach am KIT tätig.
Als eine von deutschlandweit rund 90 Partnerhochschulen unterstützt das KIT Studierende dabei, Hochleistungssport und Studium miteinander zu vereinbaren. Das KIT kooperiert hierfür mit gleich drei Olympiastützpunkten in Baden-Württemberg: Freiburg, Metropolregion Rhein-Neckar und Stuttgart.
„Es geht darum, den Athletinnen und Athleten zu helfen, ihr duales Studium – 100 Prozent Spitzensport und 100 Prozent Studium – bestmöglich zu schaffen“, erklärt Scharenberg. Das beinhaltet beispielsweise, den Stundenplan und anstehende Klausuren auf die Wettkampfvorbereitung abzustimmen oder mit Dozierenden über alternative Kurse und Prüfungsformen oder Ersatzleistungen zu sprechen. „Ehrlich gesagt, öffnet mein Titel die eine oder andere Tür“, mutmaßt die Professorin. „Insgesamt sind die Fakultäten ausgesprochen kooperativ. Sie freuen sich, Spitzensportlerinnen und -sportler in ihren Reihen zu haben.“ 15 davon betreut Scharenberg, doch knapp 50 dürften es insgesamt am KIT sein, schätzt sie: „Es ist ein Angebot meinerseits, aber es besteht keine ‚Meldepflicht‘.“
Bei all dem dürfe man nicht vergessen, dass die studierenden Athletinnen und Athleten vor den gleichen Problemen stehen, wie alle anderen. Diese könnten sich aber unterschiedlich auswirken: „Bei einer Erkrankung verpassen alle Studierenden Lehrveranstaltungen. Für eine Spitzensportlerin wiegt die damit verbundene Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit aber noch schwerer und kann im schlimmsten Fall das Verpassen einer einmaligen Chance bedeuten, an einem großen Wettkampf teilzunehmen.“
Große Titel und ehrgeizige Ziele
Ein solches Highlight ist für Katinka Hofmann die U23-Weltmeisterschaft. Im vergangenen Jahr wurde die Sportwissenschaft-Studentin Vizeweltmeisterin im Kanu-Rennsport und arbeitet bereits auf die nächste Austragung des Wettbewerbs hin. Das große Ziel hat sie bereits vor Augen: Die olympischen Spiele 2024 in Paris. Das Kanufahren, das sie seit sie 13 Jahre alt ist als Leistungssport betreibt, wurde ihr dabei quasi in die Wiege gelegt: „Ich bin durch meine Eltern dazu gekommen. Mein Papa war selbst erfolgreicher Kanute.“
Jule Horn studiert ebenfalls im 8. Semester Sportwissenschaft. Aus dem Judo kommend, ist sie nun im Sambo zu Hause. In der Sportart, die sich als Mischung aus Judo und Ringen beschreiben lässt, wurde sie deutsche Meisterin und konnte die Silbermedaille bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Georgien erringen. Auch ihr erstes Multi Sport Event hat sie mit den 2nd European Games bereits hinter sich. Zur Entscheidung fürs KIT sagt sie: „Meine Trainer haben mir aufgrund der Sportförderung am KIT empfohlen, dort zu studieren. Außerdem konnte ich so meine Trainingsgruppe behalten.“
Nicht weniger kämpferisch geht es bei Jessica Wolf zu, die am KIT im 2. Semester Wirtschaftsinformatik studiert. Sie kam mit 13 Jahren zum Leistungssport. Im Taekwondo holte sie bereits zwei deutsche Meistertitel, damit soll aber nicht Schluss sein. „Nach einer kurzen Erholungspause werde ich mich auf die Turniere in der zweiten Jahreshälfte vorbereiten. Dort will ich wichtige Weltranglistenpunkte sammeln, um kommendes Jahr an den World University Games, den olympischen Spielen der Studierenden, teilzunehmen“, sagt sie. Für die Möglichkeiten und Unterstützung am KIT ist sie dankbar, nicht zuletzt deshalb hat sie sich für ein Studium hier entschieden.
Besondere Studienbedingungen – besondere Unterstützung
Alle drei betonen, wie wertvoll die Unterstützung am KIT ist. „Weil es nicht so viele Spitzensportlerinnen und -sportler am KIT gibt, wissen manche Dozierenden gar nicht, wie sie damit umgehen sollen“, berichtet Katinka, „aber dafür gibt es dann die Hilfe von meiner Ansprechperson.“ Trotzdem bleibt die Doppelbelastung aus Studium und Spitzensport eine große Herausforderung. „Gerade das Zusammentreffen von körperlicher und geistiger Belastung habe ich unterschätzt“, erzählt die Kanutin weiter. „Außerdem fallen Klausuren und Wettkämpfe oder Trainingslager oft in den gleichen Zeitraum.“
Was das anbelangt, hat Jule die Corona-Pandemie teilweise sogar als Entlastung empfunden: „Da war es manchmal einfacher, da alles oder vieles online war. Vorlesungen konnte ich dann zum Beispiel im Auto auf dem Weg ins Trainingslager anhören. Bei Seminaren mit Anwesenheitspflicht ist das schon schwieriger.“ Von der Herausforderung, eine Routine für Training, Wettkämpfe und Studium zu finden, berichtet auch Jessica: „Es hat etwas gedauert, bis ich einen guten Mittelweg gefunden habe.“ Da sei auch die Unterstützung der Kommilitoninnen und Kommilitonen wertvoll, etwa wenn es um gemeinsame Lernzeiten gehe.
Einfach ist es also sicher nicht, Leistungssport zu betreiben und zu studieren. Am KIT ist es aber machbar, dank der Unterstützung von engagierten Leuten in den Fakultäten und der Sensibilisierung durch Swantje Scharenberg. „Bisher gab es kein Problem, das nicht gelöst werden konnte“, so Jule. „Meine Ansprechpartnerin ist immer da und antwortet sehr schnell auf meine Mails. Ohne die Kooperation hätte ich mein Studium sicher nicht oder zumindest nicht so gut und problemlos bestreiten können.“
Text: Timo Schreck
Foto Jule Horn: Anna Ivanitskaya
Foto Katinka Hofmann: GES | Rheinbrüder
Foto Jessica Wolf: Taekwondo Club Ingelheim
Donnerstag, 23. Juni, 2022
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