Text: Andrej Shoykhet, Sandra Wiebe
Fotos: Andrej Shoykhet
Wie kam es zu deinem Auslandsaufenthalt?
Ich bin nach meinem Abitur direkt an die Uni gegangen, da ich schon in etwa wusste, was ich studieren wollte. Mir war aber auch klar, dass ich auf jeden Fall mal eine längere Zeit im Ausland verbringen wollte. Ich wollte also unbedingt ein Auslandssemester oder ein Auslandspraktikum absolvieren. Das International Students Office, kurz IStO, vom KIT bietet dazu viele Informationsveranstaltungen an. Diese habe ich immer besucht. Wenn man bereits im Bachelor ins Ausland gehen möchte, bietet sich ein Erasmus-Aufenthalt oder eine Direktkooperation mit einer anderen Uni an. Ich entschied mich für ein Erasmus-Semester, da ich so mehr Unis zur Auswahl hatte und es oft mehr Plätze gibt.
Warum gerade Island?
Eines der Hauptziele des Auslandssemesters war es, mein Englisch zu verbessern. Zudem faszinieren mich die nordischen Länder Schweden, Norwegen, Finnland und Island sehr. Ich liebe den Winter und die Natur dieser Länder. Eine längere Zeit in einem dieser Länder zu wohnen, war ein kleiner Traum für mich, der in Erfüllung gegangen ist. Island ist dabei noch ein bisschen exotischer als die skandinavischen Länder. Ich hatte auch ein bisschen Glück bezüglich Corona. Ich hatte mich im Januar 2020 für das Sommersemester 2021 beworben. Der Zeitpunkt der Bewerbung war noch, bevor der erste Coronafall in Deutschland registriert wurde. Island hatte die Corona-Situation aber immer sehr unter Kontrolle, eine Sieben-Tage-Inzidenz von 15 Fällen pro 100 Einwohnern galt als hoch, und es wurden immer schnell Maßnahmen ergriffen, die aber auch schnell wieder gelockert werden konnten.
Wie hast du deinen Auslandsaufenthalt organisiert?
Wie gesagt, habe ich mich für ein Erasmus-Semester entschieden. Das bedeutet, dass ich keine Studiengebühren in Island zahlen musste und einen Grant von 450 Euro pro Monat bekommen habe. Dieser sollte die Mehrkosten für das Leben in Island abdecken. Beworben habe ich mich über das IstO, was recht unkompliziert ging. Ein halbes Jahr, bevor es losging, habe ich mich noch für das Studierendenwohnheim der Reykjavik University beworben. Drei Monate vor dem Semesterstart kam die Zusage. Dann hieß es nur, noch Flug buchen, eine Auslandskrankenversicherung abschließen, und es konnte losgehen.
Ist das Studieren dort anders oder sogar sehr ähnlich im Vergleich zu Deutschland?
Im Vergleich zum KIT ist das System schon ganz anders. Die Kursgrößen sind deutlich kleiner, und der Austausch mit den Dozentinnen und Dozenten ist direkter. In einem der Kurse waren wir nur 15 Studierende. Das ganze System ist auch deutlich verschulter. Während des Semesters hat man viele Abgaben, je nach Kurs wöchentlich oder zwei bis drei Mal pro Semester. Ich musste öfter eine Präsentation halten, und in machen Kursen gibt es Mid-term Exams, also Zwischenprüfungen im Semester. All das fließt in die Endnote mit ein, die Abschlussprüfung (falls es eine gibt) macht oft nur 30 Prozent der Gesamtnote aus.
Die Lehre war oft praxisnaher, ging aber dafür nicht so sehr in die Tiefe. Für ein Semester fand ich das eine super Abwechslung zum theorielastigen Studium. Für längere Zeit mag ich es aber mehr, wie die Grundlagen am KIT vermittelt werden.
Was waren deine Highlights?
Im Bezug aufs Studium war mein Highlight, als wir im Kurs „Instruments and vital Signs“, in dem Grundlagen der Medizintechnik vermittelt werden, Messungen an uns selber durchgeführt haben. Das Institut für Biomedizinische Technik der Reykjavik University forscht an Seekrankheit beziehungsweise Bewegungskrankheit (Motion Sickness). Ziel ist es, Bewegungskrankheit messbar zu machen und besser zu verstehen. Dazu werden Versuchspersonen auf einer sich bewegenden Plattform, die Wellengang simuliert, vermessen. Wir waren eine Versuchsgruppe und haben anschließend unsere eigenen Daten ausgewertet.
In der Freizeit war mein absolutes Highlight eine dreitägige Fahrradtour, die ich mit zwei Freunden unternommen habe. Wir sind 300 Kilometer gefahren, davon etwa 40 über eine Highland-Straße. Die isländischen Highlands, also das Landesinnere, sind im Winter nicht zu erreichen. Auch im Sommer gibt es nur unbefestigte Straßen, die man ausschließlich mit Geländewägen mit Allradantrieb befahren darf.
Auf was warst du so gar nicht vorbereitet?
Ich habe mein Fahrrad mit nach Island genommen, mit der Absicht, mir das Semesterticket für den Bus zu sparen und ein paar Radtouren zu machen. Ich hatte aber nicht auf dem Schirm, wie oft es in Reykjavik Glatteis gibt, da die Temperatur um die 0 Grad schwankt. Die meisten Fahrradwege in Reykjavik sind zwar von unten beheizt, sodass sie nicht zufrieren.Sobald man aber ein bisschen aus der Stadt rausfährt, ist das nicht mehr der Fall. Um dennoch Fahrradfahren zu können, musste ich also Spikereifen kaufen. Diese haben kleine Metallnoppen und man fährt auf Eis, als wäre es Asphalt.
Würdest du es wieder machen?
Auf jeden Fall! Ich habe sehr viele neue Erfahrungen gesammelt, ein wundervolles Land mit atemberaubender Natur kennengelernt und viele tolle Leute getroffen. Wenn es die Möglichkeit gibt, sollte meiner Meinung nach jeder einen Teil des Studiums im Ausland absolvieren.
Was sollte deiner Meinung nach jemand beachten, der auch gerne einen Auslandsaufenthalt machen möchte?
Die Bewerbungsdeadlines für Austauschprogramme sind oft sehr früh, sodass es sich lohnt, frühzeitig anzufangen zu planen. Um böse Überraschungen zu vermeiden, sollte man sich umfassend informieren, bevor es losgeht, und vor allem Erfahrungsberichte lesen.
Ihr möchtet mehr wissen? Auf seinem Blog berichtet Andrej detailliert über seine Erfahrungen und Erlebnisse in Island.
Donnerstag, 8. Juli, 2021
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Ausslandsstudium, Erasmus, Island